
Die Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) hat für die Bundesregierung berechnet, wieviel mehr Strom nötig ist, um die Elektromobilität 2030 ausreichend versorgen zu können. Foto: Thomas Richter, unsplash.com
Wenn einer nicht mehr weiter weiß… Ein Arbeitskreis namens NPM (Nationale Plattform Zukunft der Mobilität) hat im Auftrag der Bundesregierung berechnet, wie viel Strom künftig benötigt wird, um die Mobilität der Zukunft (im Jahr 2030) ausreichend versorgen zu können. Je nach Gusto serviert der NPM dazu zwei plakative Vergleiche, um die Dimensionen auch als Laie richtig einordnen zu können:
- Die als Bedarf ermittelte Strommenge entspricht etwa 20 Prozent des aktuellen deutschen Stromverbrauchs von rund 565,9 TWh (2020) und würde ausreichen, um rund 33 Millionen Zwei-Personen-Haushalte ein Jahr lang mit Strom für Heizung, Warmwasser, Beleuchtung und Elektrogeräte zu versorgen.
- Zugleich entspricht diese Strommenge rund 40 Prozent der heutigen (!) Stromerzeugung durch erneuerbare Energien (Grünstrom).
Der Umstieg, so eine Mitteilung der NPM, auf strombasierte Antriebe und Kraftstoffe gehe mit einer systemischen Verknüpfung des Verkehrs- und Energiesektors (Sektorkopplung) einher. Auf Basis der Prognosen der AG 1 Klimaschutz im Verkehr und AG 2 Alternative Antriebe und Kraftstoffe der NPM wurde in der AG 5 der daraus resultierende Strombedarf für den Verkehrssektor im Jahr 2030 ermittelt.
NPM: 105,5 TWh Strombedarf für den Verkehrssektor in 2030
Über alle drei untersuchten Bereiche – Fahrstrom für batterieelektrische Fahrzeuge inkl. Oberleitungs-Hybrid-Lkw, Wasserstoff sowie strombasierte Kraftstoffe (Power to Liquid, PtL) – ergibt sich laut NPM ein jährlicher Strombedarf im Verkehrssektor von 105,5 TWh. Demgegenüber steht für Deutschland im Jahr 2020 ein Stromexport (netto) von rund 20 TWh. Der größte Strombedarf ergibt sich aufgrund der sehr hohen anzunehmenden Fahrzeuganzahl im Fahrstrombereich (69,4 TWh). Der Strombedarf für den Wasserstoffbereich und PtL liegt mit 17,5 TWh bzw. 18,5 TWh etwa gleich auf.
- 69,4 TWh für E-Fahrzeuge
- 17,5 TWh für Wasserstoff-Antriebe
- 18,5 TWh für Power-to-Liquid (Synfuels)
Zitat aus der Mitteilung des NPM: „Um die Klimaziele 2030 und darüber hinaus zu erreichen, werden alle drei diskutierten Technologien beziehungsweise Kraftstoffe, also batterieelektrische Antriebe, Brennstoffzellenantriebe und PtL, notwendig sein“. Gleichzeitig sei es wichtig, dass der erneuerbare Strom möglichst effizient eingesetzt werde und die unterschiedlichen Anforderungen im Verkehrssektor (z.B. Straßenverkehr vs. Luftfahrt) hierbei berücksichtigt werden. Um den Umstieg auf alternative Antriebe und Kraftstoffe erfolgreich zu gestalten, hat die AG 5 zentrale Handlungsempfehlungen abgeleitet. Dies sind insbesondere der zügige Ausbau der erneuerbaren Energien, um den Grünstromanteil im Strommix zu erhöhen, belastbare zeitnahe Pfadentscheidungen besonders im Schwerlastverkehr auf Basis von Clean-Room-Gesprächen sowie die Sicherstellung leistungsfähiger Stromnetze.
Wasserstoffmobilität im Straßenverkehr
Wasserstoff gelte den Mitgliedern des NPM zufolge auch im Verkehrssektor als einer der Schlüssel zur Erreichung der Klimaschutzziele und könne andere alternative Antriebsformen ergänzen. Spannend ist aber, wie die NPM begründet, warum auch der Verkehrssektor (neben der Industrie) Wasserstoff nutzen soll. Brennstoffzellenfahrzeuge seien insbesondere dort sinnvoll, so die NPM, wo große Reichweiten oder schwere Lasten gefragt sind. Potenzielle Märkte seien daher vor allem der Langstreckenverkehr auf Straße und Schiene, aber auch Schiffs- und Flugverkehr. Wasserstoff im Straßenverkehr einzusetzen, erfordere eine bedarfsgerechte Kraftstoffversorgungs- und Tankinfrastruktur. Aktuell gebe es in Deutschland mehr als 90 Wasserstofftankstellen, die bisher hauptsächlich für die Pkw-Betankung ausgelegt sind. Für die Nutzung von Wasserstoff in schweren Nutzfahrzeugen müsse der Infrastrukturaufbau angepasst werden. Allerdings habe sich dafür – anders als im Pkw-Bereich mit 700 bar gasförmig – noch kein Betankungsstandard für den Kraftstoff herausgebildet. Für die Lkw-Betankung kämen 350 bar oder flüssiger Wasserstoff in Frage: „Aus Infrastruktursicht ist hier eine zeitnahe Harmonisierung wünschenswert, um Nachrüstungen und „stranded investments“ zu vermeiden“.
H2-Quersubvention zwischen Verkehrssektor und Industrie
Der Bericht fokussiert bei der Versorgung auf die Varianten Belieferung über Trailer bzw. Pipelines. Insbesondere für die zweite Option könnten sich Synergien ergeben mit dem geplanten Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur für die Industrie und der Umwidmung von Erdgasleitungen zu Wasserstoff. Es werde empfohlen, den Brennstoffzellen-Fahrzeughochlauf voranzubringen. Der entscheidende Punkt laut NPM: Nur so sei langfristig ein tragfähiger, sprich wirtschaftlicher Betrieb der Infrastruktur möglich. Für den bedarfsgerechten Aufbau von Tankstelleninfrastruktur sei zudem mehr Wissen über Fahrzeug-planungen und Standards notwendig: EEin Clean-Room-Prozess mit den Fahrzeugherstellern oder auch Interessenbekundungsverfahren auf der Nachfrageseite wären auch hier empfehlenswert“.
NPM sieht „Offene Punkte“
105,5 TWh Zusatzbedarf an Strom also – Wasserstoffmobilität, um die H2-Infrastruktur für die Industrie günstig zu halten. Spannender als diese eher unakademische Fragen ist, was die NPM an offenen Punkten sieht, die elementar seien für eine erfolgreiche Verkehrswende:
- Die Vermeidung eines Dauersubventionssystems für öffentliche Ladeinfrastruktur durch die Unterscheidung einer initialen Flächendeckungs- sowie anschließend marktgetriebenen Skalierungsphase.
- Die Erarbeitung von Lösungsansätzen für die intelligente Einbindung von E-Fahrzeugen in das Stromnetz (Vehicle to Grid).
- Die Unterstützung der Digitalisierung der Elektromobilität und die zukünftige Fokussierung auf webbasierte Zahlungssysteme, um innovative Zahlungsdienstleister nicht mehr vom Markt auszugrenzen.
- Über das Schnellladegesetz hinaus: Die Schaffung von zusätzlichem Flächenpotenzial, insbesondere für elektrische Lkw, durch das Öffnen der nicht bewirtschafteten Rastflächen entlang der deutschen Autobahnen.
- Die Vereinheitlichung des Letztverbraucherbegriffs aus EnWG und EEG.
- Die Steigerung des elektrischen Nutzungsgrades von Plug-in Hybriden durch die Verbesserung der elektrischen Reichweite und Ladeleistung (11 kW, 3-phasig).
Die Einen rechnen so, die Anderen so. Ist eigtl. aber sowieso egal, denn damit es mit der CO2-Reduzierung und den Klimazielen klappt, muss unser gesamter Strom CO2-neutral produziert werden. Und wenn dann noch alle Länder dieser Erde ganz schnell mitmachen, ihre Verbrenner zusehends abschaffen und ihren Strom ebenfalls CO2-neutral produzieren,dann könnte es vielleicht sogar etwas werden mit den Klimazielen.
Bei allen Wünschen – allein mir fehlt der Glaube, dass die Menschheit das gemeinsam hin bekommt, wenn ich doch nur schon sehe, welche Uneinigkeit und fehlende Einsicht quer durch die Bevölkerungsschichten alleine hier in Deutschland herrscht.
Die 20% mehr an Strom sind jetzt ja nicht neu.
Was ich mich aber frage: hat die Industrie schon einen Plan, wie und woher sie das benötigte grüne H2 beziehen? Besonders die Stahlindustrie bräuchte ja Unmengen davon (von der Voest in AT gab’s da mal ne Aussage, glaub die bräuchten dafür soviel Strom wie ganz Österreich), bis auf Pilotanlage und die geplante H2 Produktion im hohen Norden hört man da aber nicht viel, nur dass man immer mehr Farben beim Wasserstoff erfindet. Grün, blau, grau, türkis,…
spannend – eigentlich niederschmetternd – fand ich auch die unverblümte Aussage, die industrielle Wasserstoff-Nutzung benötige quasi die Wasserstoff-Autos, damit sich das Gesamtsystem „Wasserstoffwirtschaft“ überhaupt rechnet (= für die Industrie nicht unnötig teuer wird). Das ist schon hart, und aus Sicht einzelner Fahrzeuglenker (nicht nur Pkw, auch Lkw) sicher kein Trost. Immerhin schätzt der Arbeitskreis den Anteil BEV, wenn man mal die Strombedarfe hochrechnet, als extrem führend ein. Mal sehen, ob die Nische für H2-Fahrzeuge dann überhaupt noch groß genug ist für deren Hersteller…
Nischenfahrzeuge gibt es ja jetzt auch.
„Vorhersagen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“ xyz
Wasserstoffantrieb funktioniert doch tadellos. Wally Funk mußte nur 60Jahre warten und schon gehts ab.
Da haben die Autoentwickler doch noch viel Zeit. https://uploads.disquscdn.com/images/1cb2eb0c76bf78b0d89a9311b4117a75828b3ef88d0f0e0bedddb893a1e7ad76.jpg
stimmt auch wieder… und mein Gott, wer sich schlanke 30 Euro Betriebskosten je 100 km leisten kann und will, der kann auch anteilig die Kosten für 1.000 H2-Tankstellen von je 1 Mio. Euro pro Stück übernehmen. Das wären für 1.000 Toyota Mirai 3 in 2030 dann… ähhh… 1 Mio Euro pro Fahrzeug Halter. Einmalig natürlich nur. Ist dann aber wirklich was sehr Exklusives… 👍
das ist auch ein Fahrzeug Halter: https://uploads.disquscdn.com/images/363fd1edf7700f48a286aee4d7c90d01a364cf53e2561777a8efdbf7a27c37b7.jpg
das ist… Missachtung der Würde eines Automobils… aber natürlich sehr „nachhaltig“ 🙄
🤣